N A C H R U F

 

 

 
.Walter Gröbchen, Falter.
   



Den Hans Hölzel kannte jeder, der sich Anfang der 80er Jahre im überschaubaren Pop-Biotop Wien tummelte.

Als Mitglied der Kabarett-Rock-Kollektive Hallucination Company und Drahdiwaberl führte der attraktive Jüngling am Baß schon jene "Sgt. Pepper’s-Zirkusuniform" vor, die später ebenso sein Markenzeichen werden sollte wie wie gewisse Eigenschaften, die dem Gros der Spät-Hippie-Bühnenkollegen entbehrlich bis verwerflich erschienen: Selbstbewußtsein an der Schmerzgrenze zur Affektiertheit, Stolz, Exaltiertheit, Eigensinn. Dazu ein unzweifelhafter Wille zum Erfolg. Probeaufnahmen mit dem Austropop-Produzenten Rene Reitz blieben unter Verschluß. Der ehemalige AZ-Journalist und angehende Platten-Impresario Markus Spiegel aber erkannte umgehend die hervorragenden Qualitäten Hölzels. "Ganz Wien", eine erste Probe des Hit-Potentials wurde aus dem Drahdiwaberl-Fundus entlehnt. Dann durfte Robert Ponger, zuvor schon mit Wilfried und Bilgeri erfolgreich, die ungeschliffene Perle Falco polieren - und legte mit dem "Kommissar" gleich den ganz großen Wurf hin.

"Einzelhaft", das im Sog des Überraschungserfolges rasch nachgeschobene erste Album, bestätigte das Potential des Duos Ponger/Hölzel; Titel wie "Zuviel Hitze" oder "Auf der Flucht" haben, neben den bereits erwähnten Hits, noch heute Bestand. Die Formel lautete: geschmacksverstärkender Synthiesound statt traditionellem Wandergitarrengeschrammel, plakativer Pop (ohne "Austro"-Präfix) anstatt Liedermacher-Lamoyanz, erregend multilingual-exotisches Worstakkato statt Flüsterbartlyrik, Zeitgeist (jawohl: Zeitgeist) wider des allerorten grassierenden Bob-Dylan Apostolat.

Der Rest ist - mehr oder weniger - bekannt. "Junge Römer", das im Verbund mit Zeitgeist-Profis wie Markus Peichl und Michael Hopp (Wiener) inszenierte Zweitlingsalbum, brachte es nur zum Kritikerliebling.

Mit dem neuen niederländischen Produzententeam Bolland & Bolland zündete Falco 1985 aber scheinbar mühelos die dritte Karrierestufe. "Rock me Amadeus" spielte clever mit Mozart, Film- und Popklischees und erreichte den Pop-Olymp: die Spitze der US-Charts. Und alle restlichen Hitparaden von Hamburg bis Tokio sowieso.

"Falco hat für den Österreichischen Fremdenverkehr", so Michael Hopp damals, "unter Garantie mehr getan als alle Kampagnen der letzten Jahre zusammen." Der Neo-Weltstar - im Umgang mit den Medien genauso Profi wie in der Auswahl seiner Textilausstatter - lieferte eine Handvoll heimischer Musikideologen auch die fleischgewordene Antithese zum verblassenden Austropop-Imperium. Wo Wolfgang Ambros noch lustlos vor sich hingrantelte, gab Falco allemal gern den präpotenten, großkotzigen, oberschlauen Weltstar. Daß er in dieser Rolle bisweilen auch die Grenze zur Parodie überschritt, verlor sich in der Euphorie des Höhenflugs. "Jeanny" geriet zum Instant-Skandälchen, Duette mit Birgit Nielsen oder Desiree Nosbusch zu Mini-Sensatiönchen.

Mit dem Ausklang der 80er Jahre verbrauchte sich die Erfolgsformel zunehmend. Alben wie "Wiener Blut", Data de Groove" oder "Nachtflug" schienen nur noch eingeschworenen Falco-Fans unentbehrlich, zu groß dimensionierte Tourneen gerieten zum Flop, der Schmäh des Falken wollte nicht mehr recht ziehen, Gelegenheitstreffer ("Titanic", "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da" klagen bisweilen wie kleinliche Erinnerungen an die einstige Grandezza. Den Status, in einer eigenen Liga zu spielen, verlor Hans Hölzel nie.

Schon eigenartig: Ich blättere im ersten Falco- Interview, 1982 knapp nach dem "Kommissar" Erfolg geführt. Die letzte Frage an Falco: "Wo hört die Fahrt auf?" Antwort: "Mit dem Tod. Oder mit einer fünfzehnjährigen Sizilianerin irgendwo unten bei den Mafiosi im Lehnstuhl am Meer....". Eine Zeitlang war der Hans nah dran. Ziemlich nah, irgendwie.

   
   
   
 
.Christian Schachinger, Der Standard.
   
Diese Frechheiten mußte man sich "erst amal einteil’n, Oida". Das urwienerische Kind Johann Hölzel, geboren am 19. Februar 1957, verband den Schmäh - und auch die Bosheit - der Wiener Arbeiterbezirke mit der Weltläufigkeit eines Kosmopoliten.

Der hausgemachte David Bowie aus Wien-Dorf kombinierte als gelernter Jazz-Bassist nach seinen Anfängen bei der Tanz-Band "Spinning Wheel" und der Anarcho-Truppe "Drahdiwaberl" (unvergessen: Ganz Wien!) zu Beginn der 80er Jahre das scheinbar Unvereinbare: Er vermantschte breiten Hackler-Slang mit weißen Naseweisheiten des aglophilen Jet-Set. Heraus kam eine tonlose, dandyhaft verschnupfe Kunstsprache, die keiner Karikatur bedurfte. Sie nahm sich selbst auf die Schaufel: "Er war ein Superstar, er war populär. Er war so exaltiert, because er hatte Flair."

Mit einer sich um nichts und niemanden scherenden, abgehobenen, sarkastischen und - man muß dies an dieser Stelle auch sagen - beträchtlich arroganten Weltsicht brachte die bis ins kleinste Detail stimmige Kustfigur Falco damals das bis heute nicht wiederholte Kunststück zustande, seine neidgenossenschaftliche Heimat weit hinter sich zu lassen. Er brachte es zum zwar immer wieder mit Recht angefeindeten, aber auf jeden Fall globalen Popstar.

Unter der maßgeblichen Regie von Produzent Robert Ponger gelang Falco 1981 mit seinem Album "Einzelhaft" und der ausgekoppelten Single "Der Kommissar" zu sieben Millionen verkauften Stück Weltruhm. Hier fand ein musikalisch profunder und genialisch umgesetzter Raubzug der damals angesagten New Wave statt. Anleihen beim besagten, als Leitfigur dienenden David Bowie begegneten einem zielsicheren Gespür für kommende Trends wie den Rap.

Falco war schlichtweg cool: ein nationaler Held, der die etwaige heimische Konkurrenz nicht einmal zu ignorieren brauchte, weil er von vornherein in einer eigenen Liga spielte. Das von ihm genüßlich zelebrierte und die eigene Leistung keineswegs unter den Scheffel stellende Schaumschlägertum war unschlagbar. Ebenso wie die Tatsache, daß hier ein heimischer Künstler endlich erkannt hatte, daß Styling und mediengerechtes Image im Pop ebenso wichtig zu bewerten sind, wie eventuelle musikalische Leistungen: Brillantin Brutal.

Daß Falco nach diesen Anfangserfolgen 1984 mit dem Album "Junge Römer" zwar sein ambitioniertestes, aber kommerziell unverständlicherweise nur mäßig erfolgreiches Werk vorlegte, konnte den bahnbrechenden Erfolg des kommenden Jahres nicht verhindern. "Rock Me Amadeus", die aus "Falco 3" ausgekoppelte Single, die sich einmal mehr im Sinne Falcos unverschämt an einem zuvor getestetem Erfolgsrezept, dem Kinoerfolg von Milan Formans "Amadeus" hängte, gilt mit ihren vier Wochen auf dem ersten Platz der US-Verkaufshitparade noch immer als ungeschlagen erfolgreichste deutschsprachige Nummer aller Zeiten.

In den Jahren danach konnte Falco mit spekulativen Singles wie "Jeanny" oder "Coming Home" (Jeanny Part 2) sowie "The Sound of Music" zumindest im deutschsprachigen Raum noch einmal veritable Chartserfolge verbuchen. Mit Alben wie "Wiener Blut", "Data de Groove" oder "Nachtflug" machte sich allerdings zunehmend uninspirierte Routine breit.

Auch die 1996 unter dem Pseudonym T*MA veröffentlichte, auf den boomenden Euro-Techno-Markt schielende Single "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da" konnte nicht mehr an alte Erfolge anschließen. Zuletzt tauchte der seit zwei Jahren in der Dominikanischen Republik residierende Sänger auch wegen privater Probleme vorwiegend in den Klatschspalten auf.

Johann Hölzel starb am Wochenende bei einem Autounfall in seiner Wahlheimat. Wie heißt es in seinem besten Song? Ein Leben "Auf Der Flucht".

   
   
   
 
.Guido Tartarotti, Kurier.
   
Falco war Österreichs einziger Popstar. Als die heimische Szene noch vor allem darüber nachdachte, ob man Austropop mit oder ohne Bindestrich zu schreiben hat, machte er mit größter Selbstverständlichkeit Musik, die im Prinzip genausogut aus New York wie aus Wien Favoriten hätte kommen können - und die daher in New York wie in Favoriten gehört werden konnte.

Als die heimische Szene noch darüber nachdachte, ob Hochdeutsch bereits eine Fremdsprache und daher für einen echten Dialekt-Liedermacher verboten sei, mischte Falco wienerische Strophen mit englischen Refrains und italienischen Textfetzen.

Falco war auch ein Popstar, weil er verstand, daß die Wahl der richtigen Hose auf den Erfolg in dieser seltsamen Veranstaltung namens Pop oft mehr Einfluß hat als die Wahl des richtigen Gitarrensounds. Und er verstand, daß ein Popstar in erster Linie nicht seine Musik verkauft, sondern ein Bild seines Egos - und daß er diesen Kaufvorgang nie mit der Realität verwechseln darf. Schon als Bassist bei der Anarcho-Truppe Drahdiwaberl trug Falco Designerkleidung - und darüber eine Plastikhülle, um das edle Tuch bei den legendären Bühnenexzessen der Gruppe vor Befleckung zu schützen. Man kann das auch Ironie nennen.

Falco war eine Kunstfigur, die den grenzenlosen Narzißmus des Menschen Hans Hölzel auf die Bühne trug. Das Problem war nur, daß fast niemand den Unterschied sah - und auch Hölzel irgendwann nicht mehr zu wissen schien, wo Falco aufhörte und Hans anfing.

   
   
   
 
.Werner Geier, FM4.
   
er war österreichs einziger popstar. kein wunder, weil vor kruder & dorfmeister und pulsinger & tunakan gab es auch keine.

falco war, was er immer abgestritten hat, hip hop im original amerikanischen sinn. in europa denkt man ja ganz sozialromantisch, bei dieser rap geschichte ginge es um ein aufbegehren der geknechteten und entrechteten, die vorbereitung einer schwarzen revolution. bloß: wenn es bei hip hop um eine revolution geht, dann um die, genauso konsumieren können wie all die weißen arschlöcher, maßlos, ohne ziel und sinn. deswegen war falco hh. schickeria sein mit allen mitteln, sich mit geld und erfolg zu adeln, ungebrochene aufsteigerphantasien, das war falcos revolution, deswegen die helmut lang anzüge schon in den 80ern, der nachtclub slang, der eden bar jive und sein auftreten wie graf bobbys illegitimer sohn. wild war das nie, während in den usa und england die new wave tobte, formale und inhaltliche kopfstände vollführt wurden, waren falco's stilklitterungen und tabubrüche  bestenfalls ein flauer aufguß, für österreich allerdings, damals noch  im würgegriff von austropop und Ö3, immer noch hardcore. eine inkorrekte, aber doch die einzige antithese zur österreichischen durchschnittlichkeit und mittelmäßigkeit. und für leute wie mich, die in ihren schlupflöchern das schlimmste abwarteten war falco und seine nr. 1 in der us hitparade ein silberstreif am horizont.

der mann hätte fast alles erreichen können, aber er vergaß diesen selbstzerstörungsschalter, den man fast allen österreichern eingebaut hat, zu deaktivieren, den selbsthaß, das minderwertigkeitsgefühl, einfach die idee, daß der erfolg, die welt, viel zu groß seien für einen aus wien. wenn es mir gut geht, dann bin ich weltbürger, hat peter kruder unlängst gemeint, wenn es mir schlecht geht, dann bin ich ein wiener. danke hans hoelzel für den einsatz, wir werden es eine spur leichter haben, dank dir. Und wenn dolezal & rossacher weiterhin mit der behauptung, sie wären deine freunde gewesen, schamlos geld verdienen, dann kack ihnen auf die birne, von dort oben. peace, du verwirrte seele.